Politische und sozialkritische Stücke, die die britischen Theater in den siebziger und achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts dominieren, sind auf den großen Wiener Bühnen verhältnismäßig selten - oder überhaupt nicht - gespielt worden. Die Liste der Dramatiker, die von den großen Bühnen mehr oder weniger ignoriert wurden, schließt Howard Brenton, David Edgar, John Arden, John McGrath und Timberlake Wertenbaker ein. Berühmte Dramatiker wie z.B. Arnold Wesker, Caryl Churchill, David Hare oder Howard Barker sind – falls überhaupt – nur mit einem ihrer Stücke vertreten. Wir haben es hier mit dem Phänomen kultureller Blockierung zu tun. Diese (bewusste oder unbewusste?) Blockierung betrifft vor allem die größeren Bühnen und wird zum Teil durch die kleineren oder mittleren Bühnen kompensiert. Ab den späten achtziger Jahren, zum Beispiel, hat die Theater m.b.H., die inzwischen aufgrund des Wegfalls kommunaler Subventionen ihre Pforten schließen musste, eine Reihe von Howard Barkers Stücken in Übersetzungen von Ingrid Rencher aufgeführt. Die Theater m.b.H. hat auch einige weniger bekannte Bond-Dramen inszeniert, z.B. Sommer (1983), Rot, schwarz und ignorant (1992) und Das Verbrechen des 21. Jahrhunderts (2003). Das Theater in der Drachengasse hat sich um britische Dramatikerinnen verdient gemacht und hat z.B. Sarah Daniels, Catherine Hayes, Susan Griffen, Jane Martin, Debbie Isitt, Kate O'Riordan, Anne Nelson und Charlotte Keatley aufgeführt.
Das Engagement der kleineren Bühnen für politische und sozialkritische Dramatiker kann jedoch die Lücke, die großen Bühnen lassen, nicht ganz füllen. Einerseits müssen so Antworten auf die Frage nach den Ursachen der oben erwähnten Blockierung gefunden werden: Ist der Inhalt der Stücke zu politisch oder zu kulturspezifisch, so dass er dem kulturellen Transfer und der Eingemeindung widerstrebt? Oder blockiert die konservative Selektionspolitik der großen Bühnen die Zirkulation dieser Dramen? Andererseits müssen Erklärungen gefunden werden für den relativen Erfolg eines John Osborne oder eines Edward Bond, die in Wien selbst dann noch gespielt werden, wenn sie in Großbritannien nicht mehr populär sind. Das Theater in der Josefstadt und das Volkstheater haben Osborne seit 1958 aufgeführt, beginnend mit Blick zurück im Zorn (Volkstheater), Epitaph für Georg Dillon (Josefstadt 1959) und Ein Patriot für mich – der Fall Redl (Volkstheater 1970). Aber das Burgtheater/Akademietheater hat auch zum Erfolg Osbornes in Wien beigetragen. Richter in eigener Sache wurde 1965 im Akademietheater aufgeführt, gefolgt von Trauer zu früh (Gastspiel des Cafétheaters am 9. Januar 1972), Lear am 16. Dezember 1973 und Die See am 10. April 1975 und 17. Juni 2000. Der Entertainer wurde 2003 im Burgtheater gezeigt. Im Volkstheater feierte Das Bündel am 2. März 1980 und Gerettet am 4. Juni 1988 Premiere. Der Rest der Wiener Bond-Aufführungen wurde durch die kleineren Theater beigesteuert: Die Hochzeit des Papstes (Theater der Courage, 1975), Sommer (Theater m.b.H. 1983) und Lear (Schauspielhaus Wien 1984). Eine Analyse der Produktionen Bondscher und Osbornescher Stücke in München und Wien wird zum Zwecke des Vergleichs angestellt.