Logo der Universität Wien
You are here:>University of Vienna >Faculty of Philological and Cultural Studies>Department of English

Beckett and Pinter auf Wiener Bühnen
in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts

Ewald Mengel

Zweifellos gehören die Stücke Becketts und Pinters zu den klassischen Texten des modernen britischen Dramas. Dies gilt besonders für Warten auf Godot und Der HausmeisterWarten auf Godot wurde zum ersten Mal am 5. Januar 1953 im Théâtre du Babylone in Paris aufgeführt. Das Stück begründete Becketts Ruhm als Dramatiker. Es wurde in viele verschiedene Sprachen übersetzt und auf Bühnen rund um die Welt aufgeführt. Pinter schrieb seine ersten Stücke in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre. The Caretaker, nach The Birthday Party Pinters zweites abendfüllendes Drama, hatte seine Premiere am 27. April 1960 und wurde schließlich zu seinem erfolgreichsten Werk.

Das hier beschriebene Teilprojekt konzentriert sich auf die Wiener Rezeption dieser beiden klassischen Dramen. Warten auf Godot wurde am 8. April 1954 im Parkringtheater (heute nicht mehr existent), also nur etwa ein Jahr nach seiner Premiere im  Théâtre du Babylone, zum ersten Mal aufgeführt. Die nächste Wiener Inszenierung erlebte das Wiener Publikum am 1. Februar 1962 auf einer der kleineren Bühnen des Theaters in der Josefstadt. Im Laufe der Wiener Festwochen, am 10. und 13. Juni 1970, erreichte Warten auf Godot auch die große Bühne des Burgtheaters in Form eines Gastspiels des Kunigla Dramatiska Teatern Stockholm. Danach, so scheint es, fiel das Stück bei den meisten Wiener Intendanten in Vergessenheit. Die Ausnahme bilden lediglich einige Produktionen auf kleineren Bühnen: am 30. und 31. Mai 1990 auf der Bühne des Theater Brett durch das Ensemble des Studio Bonton Prag während des Festivals des Tschechoslovakischen Theaters; durch Studierende des Max Reinhard Seminars am 2. Dezember 1991 und am 14. Dezember 2001; am 4. Juni 2002 durch Hubsi Kramer in der leerstehenden Fabrikhalle des Alten Kabelwerks, und 2003 erneut im Alten Kabelwerk in einer Produktion von Michalke mit Asylanten als Schauspielern. Beckett in Wien wurde somit zunehmend mit Sozialprojekten verbunden.

Pinters Hausmeister hatte seine Wiener Premiere am 24. Oktober 1962 im Akademietheater. Danach musste das Wiener Publikum mehr als 30 Jahre warten, um eine weitere Inszenierung bewundern zu können, nämlich am 30. November 1993 auf der kleinen Bühne des Ensemble Theaters am Petersplatz. Am 17. Februar ging der Hausmeister mit einer Theatergruppe des Volkstheaters in den Wiener Außenbezirken auf Reise. Ihren 'krönenden' Abschluss fand die Wiener Karriere von Pinters Der Hausmeister schließlich auf der großen Bühne des Theaters in der Josefstadt am 3. April 2003, eine Produktion, die dem berühmten Wiener Schauspieler Otto Schenk Gelegenheit geben sollte, sich in einer Starrolle (Davies) von seinem Publikum zu verabschieden. Unglücklicherweise wurde diese Inszenierung aus Gründen, die untersucht werden müssen, von den meisten Kritikern als wenig erfolgreich eingestuft.

Alles in allem verdeutlicht bereits dieser knappe Abriss der Inszenierungsgeschichte, dass zwei der berühmtesten britischen Dramen auf Wiener Bühnen nicht sehr erfolgreich waren. Die Reaktionen des Wiener Publikums stellen eine Mischung aus Faszination, Verwirrung und Protest dar. Dieser Sachverhalt erfordert eine Erklärung. Die Hypothese ist, dass der Mangel an Verständnis, der in den Kritiken klar zum Ausdruck kommt, 'hausgemacht' ist, d.h., auf die spezifischen Erwartungen des Wiener Publikums und eine Reihe von Irrtümern und Missverständnissen im Prozess der Translation und Rezeption zurückgeführt werden kann. Ziel des Projektes ist es, die verschiedenen Produktionen dieser Dramen auf Wiener Bühnen so umfassend und genau wie möglich zu rekonstruieren, beginnend mit der Translationsanalyse, über die Rekonstruktion des Bühnenentextes hin zur Realisierung durch den Körpertext der Schauspieler. Eine genaue Untersuchung der Kritiken wird dazu beitragen, die Prinzipien offen zu legen, auf denen die negativen Meinungen beruhen. Es soll gezeigt werden, dass die Kritiken 'Palimpsesten' von Meinungen ähneln, die nicht nur frühere Wiener Inszenierungen, sondern auch das weltweite Echo reflektieren, das diese Stücke erzeugten. Die Kritiker sind sich darüber im klaren, dass es sich bei dem kritisierten Stück um einen Klassiker handelt, aber das beeinflusst sie nicht in ihrer (größtenteils negativen) Meinung. Indem sich dieses Projekt auf die Rezeptionsgeschichte von zwei Stücken in einem Zeitraum von etwa 50 Jahren (bei Pinter 40 Jahren) konzentriert, kann das wechselhafte 'Schicksal' zweier herausragender Klassiker auf Wiener Bühnen des 20. Jahrhunderts detailliert beschrieben werden.

University of Vienna | Universitätsring 1 | 1010 Vienna | T +43-1-4277-0