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The Bard and the Burg: Die Transformationen Shakespeares auf der Bühne des österreichischen Nationaltheaters im 20. und 21. Jahrhundert

Ludwig Schnauder

Die Studie beschäftigt sich mit der Aneignung Shakespeares auf der Bühne des österreichischen Nationaltheaters, dem Burgtheater, im 20. und 21. Jahrhundert. Vor dem Hintergrund des sich ändernden historisch-politischen Kontexts werden die Produktionen selbst, die verwendeten Übersetzungen, die Rezeption und die Rolle herausragender Persönlichkeiten der Wiener Theaterszene untersucht. Die Studie versteht sich als Beitrag zum Forschungsfeld "Shakespeare in Europe" und verwendet den theoretischen Rahmen des Weltbühne Wien/World-Stage Vienna Projekts.

Obwohl Shakespeare natürlich auch auf den anderen großen Wiener Bühnen aufgeführt wurde, ist es das Burgtheater, das als Shakespeares Bühne in Wien bezeichnet werden kann. Die Bedeutung des Dichters für das Theater wird schon dadurch signalisiert, dass Shakespeares Büste – neben jener Goethes, Schillers und Grillparzers - die Fassade des Gebäudes am Ring ziert. Tatsächlich zeigen Aufführungsstatistiken, dass Shakespeares Stücke auf dieser Bühne genauso oft inszeniert wurden, wie die der deutschen und österreichischen Klassiker. Ein weiterer Grund die Studie auf das Burgtheater zu konzentrieren, ist seine Rolle als österreichisches Nationaltheater. Es steht unweigerlich in einem besonderen Nahe- und Spannungsverhältnis zum österreichischen Staat und hat eine identitätsstiftende Funktion. Welche Autoren und Stücke in welcher Weise auf der Bühne des Burgtheaters inszeniert werden, ist deshalb nie eine rein künstlerische Angelegenheit. Dies gilt besonders für Produktionen von Klassikern wie Shakespeare, bei denen Veränderungen in der Übersetzung oder im Inszenierungsstil, die dem traditionellen Klassiker-Bild widersprechen, vom Publikum kritisch wahrgenommen werden. Aufgrund der engen Verflechtung zwischen Burgtheater und Staat haben historische, politische und ideologische Veränderungen direkten Einfluss auf das Theater und seine Produktionen. Eine Aufführungsgeschichte und - analyse kann daher dazu dienen, die Mechanismen des "literarischen Feldes" (P. Bourdieu) aufzudecken, die einen entscheidenden Einfluss auf kulturelle Transferprozesse haben. Dieses Feld besteht etwa aus Politikern, Direktoren, Regisseuren, Schauspielern, Kritikern und dem Publikum. Teil dieser Untersuchung ist es herauszufinden, ob und inwiefern Veränderungen in der Konstitution des literarischen Feldes im Laufe der letzten hundert Jahre Shakespeare-Produktionen beeinflusst haben.

Im Unterschied zu den anderen anglophonen Dramatikern, die im Rahmen von Weltbühne Wien erforscht werden, tritt uns Shakespeare am Beginn des 20. Jahrhunderts bereits als etablierter Klassiker entgegen. Wie hinlänglich bekannt, hat die deutsche Kultur Shakespeare schon vom 18. Jahrhundert an in so ausgeprägter Intensität rezipiert, dass der Dichter zu einer Gründungsgestalt der deutschen Nationalliteratur erhoben wurde. Der Mythos von Shakespeare als dritter deutscher Klassiker wurde durch die Schlegel/Tieck/Baudissin Übersetzung gefestigt, die die deutschen Bühnen bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts dominierte. Auch heute wird sie noch von vielen Deutschsprechenden als definitiv betrachtet und dem englischen Original geradezu gleichgesetzt. Diese Studie geht u.a. der Frage nach, inwieweit die kanonisierte Übertragung das Bild von Shakespeare als Klassiker auf der Bühne des Burgtheaters geprägt hat und inwieweit sie zu einer bestimmten Inszenierungstradition beigetragen hat. Im Vergleich dazu werden Neuübersetzungen analysiert, die als Spielvorlagen Verwendung fanden, um herauszufinden, ob eine Korrelation zwischen Übersetzung und Aufführungsästhetik besteht, welches Shakespearebild vermittelt wird und wie sie vom Publikum und von den Kritikern rezipiert wurde.

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